. Ich bin verabredet mit Claudia Müller, Baumkontrolleurin der Stadt Germering. Eine sympathische Dame, warm angezogen, hält schwungvoll mit dem Rad am Tor und begrüßt mich freundlich. „Was möchten Sie denn wissen?“ fragt sie hilfsbereit. Ich erkläre ihr, dass ich gerne mehr über ihre Arbeit erfahren möchte.
Interview mit einer Baumkontrolleurin – Perspektivwechsel zwischen Freude und Verantwortung
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Germering - Freitag morgen, 9 Uhr, Waldfriedhof Germering. Nein, traurig ist der Anlass unseres Treffens nicht, auch wenn das Wetter kühl und bedeckt ist. Ich bin verabredet mit Claudia Müller, Baumkontrolleurin der Stadt Germering. Eine sympathische Dame, warm angezogen, hält schwungvoll mit dem Rad am Tor und begrüßt mich freundlich. „Was möchten Sie denn wissen?“ fragt sie hilfsbereit. Ich erkläre ihr, dass ich gerne mehr über ihre Arbeit erfahren möchte. Worauf sie bei einer Baumkontrolle achten würde, und welche Hinweise auf Zustand und Vitalität es gibt. Anhand eines Planes, auf dem alle Bäume mit Standort eingezeichnet sind, beginnen wir unsere Runde.

Schnell merke ich, mit welcher Hingabe und Fürsorge sich Claudia ihrem Beruf widmet. „Ich lese sozusagen die Zeichen, die jeder Baum mir gibt.“ Zunächst gehen wir um den Stamm herum. Liegt der Wurzelhals (dort, wo der Stamm in Wurzeln übergeht) frei, sind die Wurzeln bedeckt, die Erde dazwischen fest, ohne Löcher? Wie sieht die Borke (Rinde) aus, gibt es Risse oder Sprünge? Vorsichtig klopft sie mit einem kleinen Schonhammer einen Spalt auf mögliche Hohlräume ab. Nichts, alles in Ordnung. Dann treten wir ein paar Schritte zurück und wenden den Blick hinauf Richtung Krone. „Der Zwiesel macht mir etwas Sorgen“, sagt die Fachfrau.

„Zwiesel? Was ist denn das?“, frage ich. „Das ist da, wo sich der Stamm in die Hauptäste teilt. Je nachdem, wie viele es sind, und wie eng sie zueinanderstehen, verteilt sich die Last der Krone. Eventuell müssen wir hier mal mit einer lockeren Seilverspannung den Zwiesel absichern. Sonst sieht er gut aus, viele Knospen an den Spitzen und frühere Astschnitte sind gut verheilt.“

„Woran erkennt man das?“, frage ich neugierig. „Sehen Sie, wie sich die Rinde hier um das Astloch herum vorwölbt? Das nennt man Überwallung. Damit schließt der Baum Wunden, um keine Schädlinge (Fäulnis, Pilze) eindringen zu lassen. Der ganze Prozess dauert je nach Art und Wundgröße unterschiedlich lang.“

Zeit ist ein ganz wesentlicher Faktor bei der Baumkontrolle. Ebenso wie wir Menschen durchlaufen auch Bäume verschiedene Lebenszyklen und passen sich immer wieder bestmöglich den jeweiligen Rahmenbedingungen an. Mal sehen wir, wie ein Baum sich nach oben im Bogen biegt, um den Schiefstand seines Stammes auszugleichen. An anderer Stelle bildet sich ein Abschiedskragen, um einen Ast, der befallen, beschädigt oder abgestorben ist, Totholz (größer 5cm Durchmesser) wird dann regelmäßig entfernt.

„Das klingt wie ein Selbstschutzmechanismus“, sage ich bewundernd. „Ja“, lacht Claudia, „die Natur zeigt schon beeindruckende Phänomene.“  

Bei einem Baum hat sich Wasser im Zwiesel abgesetzt. „Das macht nichts. Solange es nicht reinläuft, ist das Holz dicht und fault nicht.“

„Schauen Sie mal die rötlich leuchtenden Farbschattierungen dort“, sagt sie. „Oder die tolle Maserung der Borke hier“, stimme ich begeistert ein, zahlreiche Nuancen eines Musters ziehen sich den Stamm hoch. Vielleicht ist Ehrfurcht ein zu pathetisches Wort, doch mir schießt es gerade durch den Kopf, als ich diese kleinen Schätze sehe und genieße.

Wenn Sie schon einmal in einem japanischen Garten waren, kennen Sie vielleicht das Gefühl der inneren Ruhe und Gelassenheit, das sich einstellt, wenn Sie langsam durch die mit Klarheit und Ästhetik gestalteten Areale gehen. Respekt und Liebe zur Natur äußern sich in jedem Detail.

Nach knapp eineinhalb Stunden beschäftigt mich die Frage, wie können wir Gartenbesitzer sensibilisieren für ihre Bäume und Pflanzen?

„Nun, indem Sie eine Beziehung zu ihrer Umgebung aufbauen und sie einfach mal aufmerksam betrachten. Wann sind Sie zuletzt langsam und bewusst durch einen Park oder Ihren Garten gegangen? Welche Farbskala zeigen die Pflanzen? Wachsen sie hoch oder eher flach und breit? Gibt es Blüten? Welchen Duft verströmen sie? Wie sehen die Blätter aus, welche Form und Anordnung zeigen sie? Wer sind ihre „Nachbarn“ und was brauchen sie? Viel Licht oder eher Schatten, Boden, Feuchtigkeit, etwas, an dem sie sich hochranken können?“

Für mich ein gutes Stichwort: schließlich war ein Ziel meines Besuches ja auch, ein paar nützliche, konkrete Tipps einzuholen, um die ich Claudia nun bitte. „Klar, gerne“, antwortet sie:

  1. Achten Sie darauf, dass der Wurzelhals unter der Krone mindestens eineinhalb Meter um den Stamm herum frei ist, keine Sträucher oder gar Komposthaufen. Erstens sondert der zuviel Stickstoff an den Boden ab, der zerstört die Feinwurzeln, die für den wertvollen Sauerstoffaustausch wichtig sind. Zweitens mag es niemand, auch Bäume nicht, wenn man ihnen eine Kiste auf die Füße stellt. (Ich lache 😊 )
  2. Aufpassen beim Rasenmähen, dass keine Wurzeln beschädigt werden. Herausragende Ausläufer sorgfältig mit Erde bedecken.
  3. Klimabedingt gibt es die letzten 5 Jahre mehr Pilzbefall. Doch es gibt speziellen Dünger, der das „Immunsystem“ von Bäumen stärkt, besonders auch nach Verletzungen.
  4. Rasen ist ein Ausläufermodell, die Zukunft gehört der Wiese. Wussten Sie, dass ein Quadratmeter Wiese pro Jahr ein Kilogramm Staub bindet? Außerdem stärkt es die Biodiversität von Pflanzen und Insekten, sieht hübsch aus und hat eine Art Mikroklimaeffekt: hochstehende Wiesen ca. 60 cm verhindern Tiefentrocknung in der Erde bis ca. 60 cm.

Wow, das ist eine Menge. Ich habe heute Vormittag sehr vieles gelernt. Über Bäume, über die verantwortungsreiche Arbeit von Baumkontrolleuren, und wie schön es ist, einem Menschen zu begegnen, der sein Handwerk mit Liebe ausführt. Danke!

Martina Fuchs

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