Vor 40 Jahren veranstaltete Prinz Luitpold von Bayern zum ersten Mal auf Schloss Kaltenberg ein Ritterturnier, das erste nachdem diese vor 400 Jahren   nach dem Turniertod eines Königs verboten wurden. 2014 übernahm sein Sohn Prinz Heinrich von Bayern die Leitung des heute größten Mittelalterfestes der Welt.
Vor 40 Jahren veranstaltete Prinz Luitpold von Bayern zum ersten Mal auf Schloss Kaltenberg ein Ritterturnier, 2014 übernahm sein Sohn Prinz Heinrich von Bayern die Organisation.
Kaltenberger Ritterturnier

Kaltenberg - Vor 40 Jahren veranstaltete Prinz Luitpold von Bayern zum ersten Mal auf Schloss Kaltenberg ein Ritterturnier, das erste nachdem diese vor 400 Jahren   nach dem Turniertod eines Königs verboten wurden. 2014 übernahm sein Sohn Prinz Heinrich von Bayern die Leitung des heute größten Mittelalterfestes der Welt. Wir sprachen mit Vater und Sohn über das Erfolgsgeheimnis des Turniers, die wilden Anfänge und darüber, warum das Turnier seine besten Zeiten noch vor sich hat.

Prinz Luitpold, wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, in Kaltenberg ein Ritterturnier zu veranstalten?

Prinz Luitpold: Vor 40 Jahren hatten wir zwar eine kleine Brauerei und einen beliebten Biergarten in Kaltenberg, aber unsere generelle Bekanntheit war gleich null. Haben Sie vor 40 Jahren jemanden in Landsberg nach Kaltenberg gefragt, wusste kein Mensch, wo das eigentlich liegt. Das jedoch wollten wir ändern. Aber wie? Schlosskonzerte? Gab es schon hunderte. Ein Bierzelt? Findet man in Bayern, wenn die Schützenvereine feiern, jede Woche. Ein großes Bierfest neben der Wiesn? Das machte auch keinen Sinn. Da war ein Ritterturnier, eingebunden in ein großes Mittelalterfest, schon ein eigenes starkes Thema. Zumal es auch in die Region mit seiner höfischen Tradition passt. Augsburg war im Mittelalter bekannt für Ritterturniere, München auch. Wir besitzen heute noch die Turnierbücher meiner Vorfahren. Das Problem: Bei uns in Deutschland gab es damals keine Ritter, die solche Turniere aufgeführt haben.

Wo haben Sie die Ritter für ihre Idee schließlich finden können?

Prinz Luitpold: Auf einer Reise in London trafen wir zufällig auf eine englische Gruppe, die von dem ehemaligen Stuntman Max Diamond geleitet wurde, und die am Tower eine Rittershow aufführte. Die haben wir dann zu uns geholt. Man hat der Gruppe zwar angemerkt, dass nicht alle Mitglieder Profis sind, aber jeder einzelne zeigte enormen Einsatz in den Kämpfen. Ich erinnere mich noch, das damals in London von acht Rittern nach drei Tagen nur noch zwei ohne Gips waren.

Anfangs waren das Ritterturnier vor allem als Marketingveranstaltung für die Schlossbrauerei Kaltenberg geplant. Wann haben Sie gemerkt, dass die Veranstaltung sehr viel mehr ist und eine eigne Identität entwickeln kann?

Prinz Luitpold: Das enorme Potenzial zeigte sich gleich beim ersten Turnier. Wir hatten mit 500 Leuten gerechnet – und auch entsprechend geplant –, aber es kamen über 6000 Leute. Die Resonanz war überwältigend. An einem der Veranstaltungstage stand plötzlich sogar ein – ich nenne es mal – Spontanritter in Rüstung vor uns und verkündete, er wolle mitkämpfen. Das ging natürlich aus Sicherheitsgründen nicht.

Für eine Veranstaltung wie das Kaltenberger Ritterturnier gab es vor 40 Jahren keinerlei Vorbilder. Woher nahmen Sie in den Folgejahren die Ideen für das Turnier?

Prinz Luitpold: Die Inspiration stammte aus Büchern und aus der Fernsehserie Ivanhoe, die in den Sechzigerjahren jede Woche lief, und die ich als Kind begeistert geschaut hatte. Es kam uns zudem entgegen, dass wir Stück für Stück wachsen konnten. Im ersten Jahr hatten wir lediglich einen Flohmarkt. Im zweiten gab es dann schon ein paar richtige Stände. Im dritten Jahr haben wir auch Stände zur Straße hin gebaut. Jahr für Jahr kam auf dem Turnier etwas Neues hinzu und wir haben sehr darauf geschaut, was beim Publikum ankommt.

War es schwer geeignete Künstler für das Mittelalterfest zu finden?

Prinz Heinrich: Ja. Heute gibt es sogar eine Fachzeitschrift für Mittelaltermärkte, da stehen alle Künstler mit Adresse drin. Das gab es damals natürlich nicht.

Prinz Luitpold: Und selbst wenn es die gegeben hätte, hätte sie uns wohl nicht sehr weitergeholfen. Wir haben bei den Künstlern von Anfang an sehr auf Qualität und Können geachtet. Wir haben dann recht schnell Hans Pilz, der in München das beliebte Theaterfestival mitorganisiert hat, für die Organisation unseres Rahmenprogramms gewinnen können. Er hatte hervorragende Künstlerkontakte, insbesondere auch zum Circus Roncalli. Das hat uns qualitativ enorm nach vorne gebracht. Nach vier Jahren verpflichteten wir statt der englischen, eher halbprofessionell organisierten Gruppe, eine französische Stuntgruppe, angeführt von Jackie Vernon. Er blieb dann 20 Jahre bei uns.

Danach wechselten Sie zur Stuntgruppe Cavalcade von Mario Luraschi, die ebenfalls aus Frankreich kommt und die auch heute noch auf dem Turnier zu sehen ist. Warum?

Prinz Luitpold: Vernon brachte eine fertige Show mit, die immer sehr ähnlich strukturiert war. Wir wollten den Leuten jedoch in jedem Jahr Abwechslung bieten und eine neue Geschichte in der Arena erzählen.

Prinz Heinrich: Unser dramaturgischer Anspruch wurde immer größer. Heute ist es ja im Grunde so, dass wir jedes Jahr eine neue Oper produzieren, mit einer neuen Geschichte, neuer Musik, neuen Kostümen und neuen Special Effects. Das ist nur möglich, wenn sich alle Beteiligten darauf einlassen und an einem Strang ziehen.

Spricht man mit Künstlern oder Mitarbeitern, fällt früher oder später immer der Begriff von der Kaltenberg-Familie. Wie haben Sie es geschafft, dass eine Veranstaltung dieser Größenordnung ein solches Gemeinschafsgefühl bei allen Mitwirkenden erzeugt?

Prinz Luitpold: Wir haben wie gesagt die Künstler von Anfang an mit Bedacht ausgesucht. Es gibt ja auch viele, die sich ein Mittelaltergewand anziehen, das aber gar nicht leben. Das ist bei unseren Künstlern und Darstellern anders. Und obwohl wir immer wieder neue Künstler zum Turnier holen, gibt es auch manche, die gehören einfach dazu. Für die ist das Turnier ein Teil ihres Lebens geworden, um das sie ihr ganzes Jahr inklusive ihres Jahresurlaubs planen.

Prinz Heinrich: Wir haben Gruppen mit Mitgliedern beim Turnier, bei denen die Eltern schon in Kaltenberg waren. Auch im Publikum gibt es Menschen, die das Turnier als Kind erlebt haben und die nun mit ihren eigenen Kindern oder sogar schon mit den Enkeln kommen.

Prinz Heinrich, welches ist eigentlich Ihre früheste Erinnerung an das Kaltenberger Ritterturnier?

Prinz Heinrich: Ich kann mich vor allem an die Holzschwerter erinnern, die ich als kleiner Junge immer wieder testen durfte, ob sie auch ordentlich was aushalten. Und ich erinnere mich an viele große Baumaschinen.

War das Turnier für Sie etwas Besonderes?

Prinz Heinrich: Ehrlich gesagt fühlte sich das Turnier für mich immer normal an. Es war ja schon immer da und hat mich begleitet, seit ich auf der Welt bin. Als Kind war es ein großer Abenteuerspielplatz. Später als meine Mutter die Leitung des Turniers übernahm und wir immer größere Teile des Turniers als Familie selbst organisiert haben, wurde das Thema zum ständigen Hausgespräch.

Sie übernahmen 2014 die Leitung des Turniers. Gibt es einen besonderen Ratschlag Ihres Vaters, der Sie bei Ihrer Arbeit für das Ritterturnier immer begleitet?

Prinz Luitpold (lacht): Hoffentlich nicht.

Prinz Heinrich: Ich kam ja direkt von der Wirtschaftsuni. Dort lernt man, dass man unternehmerisch Sachen vor allem anpackt, damit sie sich lohnen. Hier bei uns herrscht jedoch eine etwas andere Einstellung. Viele Sachen, die wir in Kaltenberg machen, schmälern den Profit. Die lohnen sich aus wirtschaftlicher Sicht nicht, sie sind aber wichtig für den Flair und die Qualität der Veranstaltung.

Prinz Luitpold: Kaltenberg ist ja auch eine lebende Werkstatt und nicht nur ein Mittelaltermarkt. Es wäre heutzutage problemlos möglich einen Markt komplett von der mittlerweile vorhandenen Mittelalterindustrie zu speisen. Nur hätte man dann eine ganz andere Veranstaltung. Ein Handwerksstand, der nur ein getarnter chinesischer Händler ist, der hat ein ganz anderen Einkauf, als ein echter Handwerker, der vor Ort seine Ware fertigt. So jemand könnte seine Arbeitsstunden auch bei uns nie verdienen, also müssen Sie ihn subventionieren. Daran haben wir über all die Jahre festgehalten.

Prinz Heinrich: Wir achten auch auf Vielfalt und Abwechslung und versuchen nicht jedes Thema dreimal zu besetzen. Ich war mal auf einem Mittelaltermarkt, auf dem gab es sieben Lederstände nebeneinander. So etwas durschaut das Publikum natürlich.

Prinz Luitpold: Vor allem, wenn die Hälfte der Ware auch noch aus derselben Quelle stammt.

Prinz Luitpold, womit hat Ihr Sohn Sie – Seid er die Leitung des Turniers übernommen hat – positiv überrascht?

Prinz Luitpold: Die Entscheidung, auch das Drehbuch für das Turnier inhouse zu machen, und die Leitung der Produktion komplett zu übernehmen, hat sich enorm ausgezahlt. Man sieht jetzt, dass die Detailplanung des Turniers wirklich aus einem Guss erfolgt. Das ist schon ein Quantensprung in der Qualität. Besonders hat es mich daher auch gefreut, dass das auch von außen so wahrgenommen wurde, und das Ritterturnier vor zwei Jahren bei den LEA Awards als „Beste Liveshow Deutschlands“ ausgezeichnet wurde.

Gibt es Künstler von früher an die Sie sich besonders gern erinnern?

Prinz Heinrich: Ganz klar Anton von Kaltenberg, der als Profibodybuilder leider irgendwann aus Altersgründen den ganzen Aufwand nicht mehr leisten konnte. Er war ein Unikat, wie er bei uns aufgetreten ist. So jemanden findet man wohl auch nie wieder.

Was ist in Ihren Augen das Erfolgsgeheimnis des Kaltenberger Ritterturniers?

Prinz Luitpold: Dass die Veranstaltung jedes Jahr anders ist. Es kommt immer etwas Neues hinzu. Das hält die Veranstaltung auch jung. Wir haben immer geschaut, welche neuen Künstler und Themen wir zu uns holen können. Das Publikum ändert sich, die Dinge, die die Menschen bewegen, ändern sich. Darauf gehen wir im Turnier ein.

Prinz Heinrich: Die Kombination aus einer großen Arenashow und dieser riesigen Mittelalterwelt, die wir gebaut haben, ist einmalig. Bei anderen Veranstaltungen heißt es entweder Show oder Mittelaltermarkt. Bei uns bekommt man beides für denselben Preis und kann sich für Stunden bestens unterhalten. Hinzu kommt das langfristige Denken, dass ich bereits angesprochen habe, dass wir die Qualität der Veranstaltung ständig hinterfragen und verbessern wollen. Das merken die Kunden.

Warum ist es noch niemandem gelungen, das Kaltenberger Ritterturnier zu kopieren?

Prinz Luitpold: Es hat ja schon einige Versuche gegeben, aber wir haben den Apfel eben auch ziemlich hoch gehängt. Wir haben jedes Jahr in den Standort investiert. Wir haben mit einer Wiese angefangen, dann war eine Arena da. Wir haben Elektroleitungen verlegt, Abwasserrohre, Feuerwasser. Ich möchte nicht wissen, wie viele Millionen wir in der Erde vergraben haben. Müsste man das heute, unter Berücksichtigung aller Sicherheitsbestimmungen noch einmal tun, wäre das erstmal eine enorme Investition.

Prinz Heinrich: Und an diese Investition ist auch noch ein hohes Risiko geknüpft, da ihr wirtschaftlicher Erfolg zum Beispiel vom Wetter stark beeinflusst werden kann. 

Glauben Sie, dass es das Kaltenberger Ritterturnier auch in 40 Jahren noch geben wird?

Prinz Luitpold: Es gibt keinen Grund, warum es das Kaltenberger Ritterturnier nicht auch noch in 40 Jahren geben wird, wenn es gelingt, die Veranstaltung immer wieder zu erfrischen. Es wird in Zukunft vielleicht schwieriger gute Turnierreiter zu finden, da das reiterliche Wissen auf der Welt nicht gerade zunimmt. Aber im schlimmsten Fall machen wir eine eigene Ritterschule auf.

Prinz Heinrich: Vielleicht kommt die beste Zeit des Turniers sogar erst noch. Die Faszination von Dingen, die man erleben, die man riechen, schmecken und fühlen kann, steigt ja immer mehr. In unserer zunehmend künstlichen Welt wird die Sehnsucht nach begreifbaren Erlebnissen immer größer. Und wir haben hier einen Ort, der das leisten kann, der ganz weit weg von Digital- und Plastikwelten ist.

Prinz Luitpold: Bei uns kann man alles anfassen, wir sind ja kein Museum. All unsere Mittelalterlager stehen offen. Kinder sehen, wie die Ritter sich anziehen, wie gekocht oder genäht wird, sie können dem Schmied dabei zuschauen, wie er ein glühendes Stück Eisen formt … diese Nähe ist einmalig.

Haben Sie noch spezielle Wünsche und Ideen für die Zukunft?

Prinz Luitpold: Ideen gibt es Tausende. Musik, die in der Show live gespielt wird, fände ich spannend. einzuspielen. Die Wirkung eines echten Fanfarensignals, wenn die Pferde einreiten oder der König die Arena betritt, ist nun mal eine ganz andere. Das is in einer Liveshow, in der es immer wieder zu Verzögerungen oder kleinen veränderten Abläufen kommt, aber leider auch sehr schwer umzusetzen.

Prinz Heinrich: Einen der vielen Wünsche haben wir uns in diesem Jahr bereits erfüllt, indem wir die Königsloge in der Arena komplett umgebaut haben. Dadurch haben wir in der Arena eine neue Bühne hinzugewonnen, die uns noch einmal neue dramaturgische Möglichkeiten eröffnet. Wir können jetzt auch Darsteller durch die Arena fliegen lassen, was in der Vergangenheit aus Sicherheitsgründen nicht möglich war … jetzt schon.

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