Gilching – Es gehörte schon eine Portion Mut dazu, in einem Ort mit dörflichem Charakter und gerade mal 8000 Einwohnern einen professionellen Ballettunterricht anzubieten. Vor 42 Jahren war es Hannelore Husemann-Sieber, die das Wagnis in Gilching einging und unter dem Dach der Musikschule mit 88 Kindern startete. Mit 81 Jahren ging die Balletteuse nun in den Ruhestand.
„Große Nachfrage für neues Unterrichtsfach“, titelte einst die Heimatzeitung. Gemeint war die Ballettklasse der Musikschule Gilching, die am 1. April 1976 ins Leben gerufen wurde. Es war Hannelore Husemann-Sieber, ehemalige Tänzerin an der Bayerischen Staatsoper, die mit 88 Schülern den Unterricht im Pfarrsaal von St. Sebastian aufnahm. „Ich war alleinerziehende Mutter von drei Kindern und musste irgendwie Geld verdienen“, erzählt Husemann-Sieber. Einen Saal anzumieten, konnte sie sich nicht leisten. Deshalb klopfte sie bei der Musikschule Gilching an und fragte nach, ob dort Bedarf bestünde. Gründer und Leiter der Musikschule war seinerzeit der legendäre Rudi Schicht (1920-2012), dem das Thema Ballett ganz und gar nicht geheuer war. „Wie wäre es denn mit Turnunterricht. Das könnten wir brauchen?“, soll er der passionierten Tänzerin deshalb vorgeschlagen haben. Das aber lehnte Husemann-Sieber strikt ab und bekam ihre Chance.
Zunächst lehrte sie nach der Methode von Professor Michel de Lutry, bei dem sie auch Ballett-Pädagogik an der Musikhochschule München studiert hatte, wandte aber im Laufe der Zeit weitere Methoden an. Zuletzt zählte ihre Ballett-Abteilung in Gilching rund 250 Schüler. Mit ihren hochkarätigen Choreografien – unter anderem „Peter und der Wolf“, „Cinderella“ oder die „West Side Story“ - heimste Husemann-Sieber regional wie überregional zahlreiche Auszeichnungen ein. In ihrem Heimatort wurde ihr 2016 für ihr Engagement die Gilchinger Verdienstmedaille verliehen. Neben dem Ballett widmete sich die gebürtige Planeggerin außerdem ihrer zweiten Leidenschaft, dem Orgel-Spiel. „Ich hatte 38 Jahre lang die Orgel in der Waldkirche in Planegg gespielt. Ich konnte den damaligen Pfarrer Friedrich Märkel sogar davon überzeugen, in der Waldkirche mit einem achteckigen Innenraum den Totentanz aufzuführen. Dass der Abschied aus der Musikschule für Husemann-Sieber keineswegs ein kulturelles Aus bedeutet, macht sie deutlich. Im großräumigen Wohnzimmer mit Flügel werde es nach Corona unter Mitwirkung mit Ehemann Gernot Sieber wieder Hauskonzerte geben, verspricht sie. Im Übrigen betreue sie bis zum Sommer noch einzelne Ballettschüler. Nicht zu vergessen, das Kunstforum Gilching. Dort engagiert sie sich seit 2001 innerhalb der Vorstandschaft. Gibt es noch ein Projekt, dass sie gerne umsetzen möchte? „Ja, wir haben ja im Gymnasium hervorragende Balletträume. Deshalb schwebt mir eine Akademie vor. Der Ballett-Unterricht sollte innerhalb des Stundeplans integriert und die Noten beim Abitur berücksichtigt werden. Ob ich das noch schaffen werde, das weiß ich nicht?“ LeLe