What lies under / 2011
Ferdi Rizkiyanto
Landkreis – Der 59-jährige Germeringer Günther Bonin ist ein außergewöhnlicher, global aktiver, innovativer und umweltbewusster Mensch. 2011 gründete er den gemeinnützigen Verein One Earth – One Ocean e.V. (OEOO) mit Sitz in Garching, der sich auf die Fahne geschrieben hat, weltweit die Meere und Gewässer von (Plastik)-Müll zu befreien. Bonin erhielt vor zwei Jahren den renommierten Green Tec Award, Europas größten Umwelt- und Wirtschaftspreis. Unsere Amperkurier-Redakteurin führte ein Interview mit dem passionierten Segler, Erfinder und Umweltschützer.

AK: Herr Bonin, Sie sind gerade aus Nigeria zurückgekehrt. Was haben Sie dort gemacht?
Bonin: Die Verschmutzung der Weltmeere, der Flüsse und Seen durch Müll, aber auch durch Öl und Chemikalien, ist eine der größten Herausforderungen für die Weltgesellschaft. Mit einem Team von Experten und Helfern haben wir uns auf eigene Kosten aufgemacht, um im Nigerdelta mittels der PURE-Ölbinde-Watte (einem Spezialflies der Firma DEUREX) ein begrenztes Gewässer zu reinigen: an einer Stelle, wo durch eine defekte Öl-Pipeline die angrenzende Plantage verunreinigt wurde. Bereits seit mehr als 50 Jahren wird das Delta durch Öl verseucht, das dort bei der Förderung oder dem Transport ausfließt. Veraltete Technik, unzureichende Wartung und Lecks sind unter anderem für die Verschmutzung verantwortlich. Experten schätzen, dass mehr als zwei Millionen Tonnen Rohöl ins Ökosystem des Nigerdeltas gelangt sind und die Lebensgrundlagen der Bauern und Fischer zerstört haben.

AK: Wie lautet Ihre weltweite Mission?
Bonin: Wir wollen die Gewässer von Plastikmüll befreien. Es ist nicht so einfach, genaue Hochrechnungen vorzunehmen; aber es treiben mittlerweile schätzungsweise bis zu 900 Millionen Tonnen Plastik weltweit in jeder Meeresschicht herum. Das sind riesige Teppiche aus Müll – der größte davon im Pazifik ist so groß wie Mitteleuropa, d.h. wie Deutschland, Österreich, die Schweiz, Polen, Luxemburg, Ungarn und Tschechien zusammen! Jedes Jahr kommen etwa 6,4 Millionen Tonnen dazu. Sogar in der Antarktis haben wir schon Plastikrückstände gefunden. Plastikmüll im Meer verschwindet nicht einfach, sondern ist sehr haltbar und wird durch Zersetzung und mechanische Einflüsse in kleinste Partikel, in so genanntes Mikroplastik aufgespalten, das sich überall verteilt und kaum mehr entfernt werden kann. Meerestiere halten das Plastik verheerender Weise für Nahrung und gehen daran zugrunde. Und über die schleichende Einwirkung auf die Nahrungskette bedrohen Plastikbestandteile (z.B. Weichmacher) auch uns Menschen.

AK: Ihr Motto heißt also „Maritime Müllabfuhr“
Bonin: Ja, wenn wir nicht sofort anfangen, die offenen Gewässer, die alle weltweit in einem großen Kreislauf zusammenhängen, zu reinigen, gebe ich unserem Planeten keine 1000 Jahre Lebenszeit mehr! So wie wir an Land eine Müllabfuhr haben, muss dies auch für die Flüsse, Seen und Meere funktionieren, denn technisch ist das alles machbar! Wir arbeiten als gemeinnützige Organisation eng zusammen mit führenden Forschungsinstituten und Wissenschaftlern, aber auch mit Reedereien und der Industrie, um tragfähige Lösungen zu finden. Wir entnehmen beispielsweise Wasserproben und haben eine umfangreiche internationale Datenbank mit wissenschaftlichen Studien zum Thema Wasserverschmutzung angelegt. Aber auch auf Messen und in Schulen sind wir vertreten. Mit speziell entwickelten Booten unterschiedlicher Größe entfernen wir den sichtbaren Müll auf Meeren und Binnengewässern, der dann in engmaschigen Fangnetzen gesammelt wird. Unser Prototyp, der „Seehamster“, ist im Auftrag der Städte Germering und Olching bereits auf deren Badeseen im Einsatz. Dieser kleine Katamaran mit seinen etwa vier Metern Länge und zwei Metern Breite sammelt in den Sommermonaten in einem Netz Algen, abgestorbene Pflanzenreste (in Form von unansehnlichem hellbraunen Schlamm, der auf der Wasseroberfläche treibt) und Müll. Die Kiellegung der „Seekuh“, einem etwas größeren Katamaran für den Pazifik und Atlantik, ausgestattet mit einem Infrarotspektrometer zur Eruierung der Gewässerbelastung, erfolgte hingegen erst vor drei Monaten in Lübeck. Die „Seekühe“ grasen selbständig das Plastik aus den Gewässern ab und werden von den sich in Planung befindlichen „Seefarmern“ und „Seewölfen“ begleitet, die später einmal ihre Plastikfracht zum Tanker bringen werden. Am Ende dieser ausgeklügelten Kette steht schließlich der „Seeelefant“, ein doppelwandiger Tanker, der künftig als Energie- und Recyclingschiff fungieren soll. Der Plastikmüll wird anfänglich an Land sortiert, zerkleinert und in neue Energie umgewandelt. Auch andere, nicht verwertbare Stoffe sollen zur Weiterverarbeitung an Land gebracht werden. In einer späteren Phase wird aus dem Plastik, das aus dem Meer gefischt wurde, bereits an Bord des Tankers schwefelfreies Leichtöl gepresst. Aus einer Tonne Plastik kann man auf umweltschonende Weise etwa 900 Liter Öl zurückgewinnen. So können die Gewässer vollständig gereinigt werden und zugleich vor Ort neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Restmüllfrachter fahren übrigens mit der neuesten umweltfreundlichen Technologie: Wind, Sonne und Rotoren.

AK: Wie sind Sie zu dem Ganzen eigentlich gekommen?
Bonin: Mein Schlüsselerlebnis war 2008, als ich als Skipper zwischen Vancouver und San Diego unterwegs war und wir während meiner Nachtwache direkt in einen gigantischen Müllhaufen – wahrscheinlich illegal verklappt – steuerten. Genau an der Stelle, wo gerade Grauwale mit ihren Kälbern nach Norden schwammen. Da wusste ich blitzartig, dass ich selbst aktiv werden musste.

AK: Wie schaut es denn mit der Finanzierung aus?
Bonin: Wir haben etwa 150 ehrenamtliche Mitglieder, Unternehmen und Mitarbeiter. Einer unserer größten Sponsoren ist die Deutsche Telekom, wofür wir sehr dankbar sind. Wir suchen aber immer wieder neue Mitglieder und Spender. Auf unserer Website www.oneearth-oneocean.com und auf Facebook (www.facebook.com/pages/One-Earth-One-Ocean) finden Sie alle nötigen Informationen sowie zahlreiche Auskünfte über die Projektarbeiten und ein paar interessante Videos.

AK: Ist das nicht alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein, beziehungsweise in den Ozean?
Bonin: Was wie die Utopie eines einzelnen Idealisten klang, hat mittlerweile ja konkrete Formen angenommen. Egal, wann und wo wir anfangen Gutes zu tun: Es ist noch nicht alles zu spät! Ich halte es mit einer chinesischen Weisheit: „Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt.“

AK: Wäre nicht primär Müllvermeidung und die Abschaffung von Plastik das Hauptziel?
Bonin: Kunststoffe lassen sich heutzutage nicht mehr gänzlich vermeiden. Gefährlich ist allerdings das Material Plastik mit seinen unüberschaubar vielen und nicht deklarierten Inhaltsstoffen. Die darin enthaltenen Weichmacher schädigen definitiv unsere Gesundheit. Etwa drei Viertel des in den Ozeanen treibenden Mülls besteht aus Plastik. Ich möchte daher an alle meine Mitmenschen appellieren: Bitte verbannen Sie Plastiktüten und Plastikflaschen aus Ihrem Leben! Wir brauchen sie nicht zum Glücklichsein!
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